Sich in die Schuhe des anderen hinein versetzen
Xavier und Kim haben mich über einen Vortrag kennen gelernt. Sie sind ein junges Paar in der Kleinkindphase. Im Moment braucht es nicht viel und sie geraten aneinander. „ Schon ein Blick ohne Worte reicht und ich würde am liebsten davon laufen, “ sagt Xavier.
“ Auch für unsere kleine Tochter ist das nicht einfach. Sie spürt so viel! Ich habe keine Geduld mehr. Ich werde rasch laut und ungeduldig mit Xavier“, sagt Kim.
Die beiden wollen meine Unterstützung, um aus diesem unguten Verstrickungen auszusteigen. Ich exploriere mit dem Paar die aktuelle Situation. Zwischen den beiden hat sich ein selektives, negatives Bild kultiviert. Aktuell nimmt Kim fast nur Xaviers Perfektionismus wahr. Schon auf den kleinsten negativen Unterton von Kim reagiert Xavier rasend. Darüber hinaus erhöhen die unterschiedlichen Haltungen in der Erziehung der Tochter das gegenseitige Unbehagen. Gegenseitige negative Projektionen verhindern eine wertschätzende Sicht auf den anderen. Andere positive Verhaltensweisen wie Verlässlichkeit, Fürsorge, das Sichern des Lebensunterhaltes für die Familie wird nicht mehr wahrgenommen.
Dieses Paar unterstütze ich zunächst in der Entwicklung eines milden, liebevollen Blickes auf sich selbst. Jeder beginnt den eigenen Anteil an der Verstrickung wahrzunehmen.
Eine gezielte Regulation von Nähe und Distanz im Paar beginnt. Jeder nimmt sich einen Abend für sich selbst. Mit der Zeit wird es wieder möglich, in die Schuhe des anderen zu schlüpfen, sich vorsichtig einander herantastend den Blick zu weiten und mitfühlende Nähe zu erleben.