Newsletter Oktober 25
Kontakte-Begegnungen in Liebesbeziehungen bewusst gestalten
In einer Zeit, in der Selbstverwirklichung und individuelle Freiheit oft im Vordergrund stehen, bleibt das Bedürfnis nach Bindung in Paarbeziehungen eine eigenständige, wichtige Komponente, die anerkannt und gewürdigt werden möchte.
Die bewusste Auseinandersetzung mit der Bindungsfähigkeit und der Bindungsbereitschaft kann Wege aufzeigen, alte, zum Hindernis gewordene Muster zu verabschieden. Dies erfordert den Mut, sich als Paar über traditionelle Vorstellungen von Liebe und Begehren hinauszuwagen und sich den Bindungsbedürfnissen zuzuwenden. Indem sich beide Partner der Sehnsucht nach tieferen Bindungen stellen, können sie Kompensationen hinter sich lassen, die als Ersatz für tatsächlichen, nährenden, menschlichen Kontakt dienten. Es ist nie zu spät auf diesem Weg erfüllende und wahrhaftige Formen des Zusammenseins zu entdecken.
Kontaktphasen erkennen und Kontakt miteinander gestalten
Bindungsmuster sind eng mit der Art und Weise verknüpft, wie die Partner miteinander Kontakt gestalten.
Diese Kontaktgestaltung kann in verschiedenen Phasen bzw. einem Kontaktkreislauf beschrieben werden.
Wichtig dabei ist zu verstehen, in welchen dieser Kontaktphasen sich die Partner leichttun und wo sie jeweils Angst verspüren oder sich gehemmt fühlen.
1. Phase von «mit sich selbst sein»
Was geschieht in der Phase vor der Kontaktaufnahme? In dieser Phase ist jeder mit sich allein.
Fühlt sich einer der Partner einsam? Oder allein gelassen vom anderen?
2. Kontaktbedürfnis
Was erlebt ein Partner oder beide in der Phase der Kontaktanbahnung? Wird ein diffuses inneres Verlangen wahrgenommen, z.B. eine noch unklare Sehnsucht, dem anderen nahe sein zu wollen? Oder /und ist gleichzeitig eine Verletzung aus der letzten Begegnung spürbar?
3. Kontaktaufnahme
Ergreift in der Phase des Kontaktvollzuges einer der Partner die Initiative, so entsteht ein Kontakt. Wie wird dieser Kontakt aufgenommen? Über eine liebevolle Kommunikation? Oder aus einer noch verletzten Haltung aus der letzten Begegnung, verbunden mit der negativen Vorahnung, dass das eigene Bedürfnis nach Nähe, Zärtlichkeit oder Sexualität wieder nicht erfüllt werden könnte?
4. Kontaktgestaltung
Wie wird, je nach Situation, die emotionale Intensität dieses Kontaktes von beiden gestaltet? Erlebt sich jeder der Partner so, dass er sich erlauben kann sein Bedürfnis auszudrücken? Können sich beide offen auf das Bedürfnis des anderen mit der jetzt gerade stimmigen Antwort zumuten? Welche Gefühle werden in dieser Phase der Differenzierung und des Sich-zeigens sichtbar? Freude? Angst? Trauer? Schmerz? Frust? Ärger?
4. Erfüllung
Indem die Bedürfnisse voneinander anerkannt werden und darauf eine Antwort gegeben wird, können sie zu Teilen erfüllt oder ganz erfüllt werden. Oder aus einer aufrichtigen Begegnung der unterschiedlichen Bedürfnisse kann etwas Kreatives, Neues entstehen. Wie geht das Paar damit um, wenn Wünsche oder Bedürfnisse nicht erfüllt werden?
5. Integration
Das Paar spürt dieser Erfahrung nach, und jeder nimmt sein Erleben und seine Bedeutungsgebung dieses Momentes zu sich.
6. Introspektion
Haben die Partner diesen Kontakt als nährend, als erfüllend erlebt?
Gehen sie gestärkt, nachdenklich, mit Lust, Vorfreude auf die nächste Begegnung aus diesem Kontakt heraus?
7. Abschied
Die beiden verabschieden sich für diesen Moment. Wieder ist jeder mit sich allein, bei sich selbst. Und wieder beginnen die Kontaktphasen von vorne. Ein neues Bedürfnis wird spürbar. Ein nächster Zyklus des Kontaktes mit den verschiedenen Phasen kann entstehen.
Die verschiedenen Phasen des Kontaktes nehmen die Partner evtl. unterschiedlich wahr. Vielleicht fühlt sich ein Partner sicherer, wenn er mit sich allein ist, der andere fühlt sich im Kontakt sicherer. Vielleicht ist ein Partner mühelos initiativ, während der andere eher Angst hat, in Kontakt zu gehen oder/und seine Wünsche oder seine Befindlichkeit kundzutun.
Ebenso wird das Regulieren der emotionalen Intensität als unterschiedlich erlebt. Manchen Partnern fällt es schwer, sich wieder voneinander zu lösen. So können die verschiedenen Phasen als sehr unterschiedlich herausfordernd erlebt werden.
Ein weiterer Faktor, der die Qualität des Kontaktes bestimmt, ist die Fähigkeit miteinander in Resonanz zu gehen. Der Begriff der Resonanz leitet sich ursprünglich aus dem Bereich der Akustik ab (lateinisch: resonare «widerhallen») und bezieht sich auf das Mitschwingen eines Körpers mit dem anderen. Auf partnerschaftliche Beziehungen übersetzt meint «in Resonanz gehen» die Fähigkeit sich aufeinander z.B. liebevoll, neugierig, verspielt einzuschwingen, anstatt in festen, z.B. ängstlichen, aggressiven oder kontrollierten, vorherbestimmten Kontaktmustern zu sein. Diese Verhindern ein empathisches, wohltuendes Mitschwingen.
Übung: Kontaktphasen bewusst erleben
1. Erlaube Dir, deine partnerschaftlichen oder sonstigen wichtigen Bindungskontakte aufmerksam zu beobachten.
In welchen der Phasen fühlst Du Dich eher wohl, vertraut?
Welche der Phasen versuchst Du eher zu vermeiden oder zu blockieren
2. Erlaube Dir Deine Ängste und Deine Kontaktmuster wahrzunehmen und zu reflektieren. Versuche zu verstehen, wieso dieses Kontaktmuster für Dich Sinn ergibt?
Z.B. «Ich vermeide den Kontakt, weil ich Angst davor habe einen Korb zu erhalten von dem Menschen, den ich so sehr liebhabe.»
3. Gestalte sinnlich, erotische und liebevolle Momente, indem Du nachspürst, welche der Phasen Du als prickelnd empfindest oder erotisierst: die Sehnsucht, das Flirten, der Moment des Dich-Verabschiedens?
In welchem dieser Momente öffnest Du Dein Herz für Deinen Partner? Wann verschliesst Du das Herz?
4. Erkunde die Bindungswirkung.
Wann gehst Du mit Deiner Aufmerksamkeit in die Vergangenheit oder in die Zukunft?
Wann und wie versuchst Du den Kontakt zu verlängern?
Wann versuchst Du ihn zu beenden?
Wie ist Deine Resonanz auf die Aussicht den Kontakt zu verlängern oder diesen zu beenden?
Wie fühlt es sich für Dich an in diesem Kontakt zu bleiben?
Wie würde es sich anfühlen sich in dies3em Moment aus dem Kontakt zu lösen?
5. Integration
Welche dieser Kontaktphasen bereiten Dir Freude und geben Dir Kraft? Wie möchtest Du ihnen im Alltag Raum geben?
Wenn Du in einer Phase regelmässig Angst oder Widerstand verspürst, nimm Dir einen Moment Zeit um innezuhalten. Ist es Dir gerade möglich bewusst zu entscheiden, wie Du jetzt damit umgehen möchtest?
Erlaube Dir die Qualität deines Kontaktes mit deinem Partner aufmerksam zu erforschen und neue Fühl- und Verhaltensweisen zu erkunden.
Bindungen entstehen aus Kontakten, die über den Moment hinaus wirksam sind. Gerne unterstütze ich Paare darin, die Qualität ihrer Kontakte zu vertiefen, indem jeder aktiv seine Kontaktmuster neugierig, kreativ und liebevoll erforscht und bewusst gestaltet.