Newsletter März 25
Den eigenen inneren Raum entdecken -
selbstbestimmt-lustvoll-eigenverantwortlich
Der weibliche Erregungsreflex ist uns Frauen angeboren. Die Fähigkeit ihn auszuleben, zu steigern, ihn zu geniessen, ist uns jedoch nicht in die Wiege gelegt. Jedoch: Der lustvolle, kreative, verspielte Umgang mit sexueller Erregung ist über ein individuelles, ganzheitliches Erforschen der eigenen sexuellen Erregung lernbar.
In die Sexualberatung kommen Frauen zu mir mit Fragestellungen, wie Lustlosigkeit, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, das Verschliessen ihrer Scheide,mit ihrer Mühe sexuelle Erregung wahrzunehmen, diese zu steigern oder einen Orgasmus zu erleben. Dabei stehen Frauen in verschiedenen Phasen ihres Lebens, z.B. in Lebensphasen nach der Geburt, nach Operationen, dem Übergang in die Menopause.
Viele Frauen werden im Aussen als attraktiv erlebt, sie verfügen über eine hohe soziale Kompetenz, sind sensibel für die Bedürfnisse anderer, stehen mit beiden Beinen im Familienleben und/oder im Berufsleben. Ihnen gemeinsam ist die Suche danach, ihren eigenen, inneren lustvollen weiblichen Raum (wieder) zu finden.
Wenn sich Frauen nicht wirklich zugestehen, sich entspannt zu öffnen und schmerzfrei, ohne Scham, Ekel oder sexuelle Aversion die eigene Sinnlichkeit und Sexualität zu leben, übernimmt der Körper die Führung zur Bewahrung ihrer Autonomie. Sie haben nicht das Gefühl ihren inneren Raum zu besitzen, ihn zu bewohnen und über ihn entscheiden zu dürfen. Die Selbstbestimmung wird der äusseren Anpassung zuliebe zurückgedrängt. Eigene emotionale oder sexuelle Bedürfnisse werden wenig wahrgenommen und übergangen. Stattdessen steht das Einfühlungsvermögen für andere im Vordergrund.
Das selbstbestimmte Verfügen über den inneren Raum
Weibliche Sexualität hat auf einer tiefen archaischen Ebene mit der Öffnung des inneren Raumes zu tun. Leben Frauen ihre Sexualität, spielt sich diese in ihrem Innenraum ab. Die weiblichen Geschlechtsorgane sind so angelegt, dass sich Geschlechtsverkehr, Befruchtung und Schwangerschaft im Körperinneren abspielen. Manche Frauen erleben ihre sinnlichen, sexuellen Wahrnehmungen mit sich selbst verbunden. Sie erleben sich als rezeptiv, d.h. sie saugen die Berührungen auf wie einen Schwamm, fühlen sich gut dabei und erleben den sinnlich, erotischen Kontakt als angenehm und lustvoll. Andere Frauen verschliessen sich stattdessen oder entziehen sich ihren Wahrnehmungen.
Stellen wir uns vor, die Frau würde in einem Raum leben, über den sie nicht bestimmen kann. Da kommen Gäste hinein und gehen wieder heraus, so wie diese es gerade wollen. Sie fühlt sich nicht sicher. Sie erlebt sich wie ein Objekt, über das verfügt wird. Die Gäste benehmen sich, wie es ihnen gerade passt. Die Frau erlebt sich so, dass sie nicht sagen kann, ich möchte jetzt aber gerade meine Ruhe haben, wenn der Gast schon an der Tür rüttelt. Versetzen wir uns in diese Frau hinein: Wie wohl könnte sie sich gerade fühlen? Wie entspannt und wie neugierig ist sie auf ihre Körperempfindungen? Wie offen könnte sie für den Besucher sein? Würde sie eher abwehrend reagieren, zu machen, sich schützen wollen, vor einem zu viel, zu schnell? Wäre sie vielleicht am liebsten gar nicht daheim?
Viele Frauen, die in die Sexualberatung kommen, haben in ihrer Lebensgeschichte Missachtungen oder Verletzungen ihres eigenen Raumes erlebt. Das heisst, sie haben grenzüberschreitendes Verhalten in Bezug auf die Selbstbestimmung ihrer Privatsphäre erlebt. Diese Grenzverletzungen müssen nicht im sexuellen Kontext erlebt worden sein. Z. B. Ina: «Meine Mutter hat immer wieder über mich verfügt. Sie hat mir gesagt was und wie viel ich essen soll, welche Kleider ich tragen soll, mit wem es gut ist, dass ich mich treffe und mit wem nicht. Sie hat mir über ihre Probleme mit meinem Vater erzählt. Für sie waren wir beste Freundinnen. Ich habe mich dabei verloren. Wenn ich darüber erzähle, spüre ich meinen Ärger und eine tiefe Traurigkeit.»
Solche Erfahrungen bewirken, dass die Frau das Gefühl hat, nicht über ihren Raum bestimmen oder ungestraft ihre Bedürfnisse und Grenzen vertreten zu dürfen.
In der Sexualberatung kann es sinnvoll sein, dass die Frau sich zunächst in ein Einzelberatungssetting begibt. Ohne Druck und ohne funktionieren zu müssen, kann sie hier ihren eigenen weiblichen Raum selbstbestimmt entdecken und ihn sich aneignen. Zu einem späteren Zeitpunkt können dann Impulse in der Paarbeziehung in Zusammenarbeit mit dem Partner angegangen werden. Ziel ist, dass die Frau von innen geleitet mit sich selbst verbunden sein kann und diese Verbindung auch in der Paarbeziehung für sie erlebbar bleibt.
Als Beispiel in der Arbeit mit dem inneren Raum kann eine geleitete Imagination hilfreich sein.
«Nimm Dir Zeit in Deinem Körper anzukommen und lass Dich wahrnehmen, wie Dein Atem kommt und geht und wie Du mit jedem Einatmen, Deinen inneren Raum besser spürst. Mach Deinen inneren Raum frei, von allem was Du gerade nicht brauchst, so als wolltest Du ihn mit einem Besen auskehren. Stell Dir vor, wie Dein innerer Raum aussieht. Ist er eher gross und licht oder klein und heimelig? Gibt es Fenster in diesem Raum? Was für welche und wie viele?
Gibt es Vorhänge? Wie ist die Luft, die von aussen in diesen Raum weht? Wie ist der Blick nach draussen? Was für Gegenstände und Möbelstücke möchtest Du in diesem Raum haben? Was für ein Geruch hat dieser Raum? Gibt es Klänge oder Geräusche in diesem Raum? Lass alles in diesem Raum so entstehen, wie es sich für Dich gut anfühlt. Ist es nicht ein gutes Gefühl, dass dieser Raum nur Dir gehört. Und dass Du darüber bestimmst, wen Du einlädst, wen Du hineinlässt und für wie lange, ganz genau so, wie es sich für Dich gut anfühlt.
Und zu jedem Innenraum gehört ein Aussenraum. Was ist das für ein Aussenraum und wie gross ist er? Wodurch ist dieser begrenzt? Durch einen Zaun oder vielleicht eine hohe Hecke, sodass Du Dich ungestört fühlen kannst und das gute Gefühl geniessen kannst, von einem schützenden Aussenraum umgeben zu sein. Nimm Dir noch einen Moment Zeit diesen Deinen ganz eigenen Raum zu geniessen.
Und dann verabschiede Dich von diesem Raum, in dem Wissen, dass Du jederzeit wieder in diesen Deinen Raum zurückkehren kannst. Recke Dich und strecke Dich und komme wieder hier im Raum an, frisch und wach.»
Im Anschluss an diese Imagination kann die Frau ein Bild malen und diesen, ihren eigenen Raum, im Sexualberatungsprozess als aktuelle Standortbestimmung erlebbar machen. Sie kann sich auf den Weg machen, diesen inneren weiblichen Raum kreativ, wohlig und auf ihre ganz eigene Art achtsam weiter zu gestalten.
Vom Objekt zum Subjekt
Viele Frauen definieren ihre eigene Weiblichkeit aus den Erwartungen und Wertmassstäben des Partners oder auch den kulturellen Vorgaben der Gesellschaft und der Medien.
Manche Frauen lernen sich als Objekt wahrzunehmen. Sie übernehmen die Aussenperspektive, meist mit einem kritischen und kalten Blick auf sich selbst: Wie wirke ich als Frau auf andere? Was muss ich tun um eine gute Geliebte zu sein?
Oft sehen sie ihren Körper aus männlicher Sicht oder aus der Idealperspektive der Medien. «Sind meine Brüste gross genug? Bin ich schlank genug?». Sie vergleichen und überwachen sich ständig selbst, um dem Idealbild zu entsprechen. Anstatt sich mit der eigenen Sinneswahrnehmung und dem eigenen sexuellen Erleben verbinden zu können, führt das ständige Bewerten in der Sexualität zu einem Schamerleben. Das daraus entstehende Lebensgefühl ist geprägt durch Abhängigkeit von der Bestätigung anderer. Dies führt zur Einengung der eigenen Entwicklung sowie zur Anpassung an äussere Massstäbe.
Mögliche Lernschritte auf dem Weg vom Objekt zum Subjekt:
- Arbeit am Körperbild, um der individuellen, tieferen Schicht der eigenen Weiblichkeit zu begegnen
- Herausfinden der eigenen Körperbedürfnisse
- empathisches, liebevolles Validieren des eigenen Körpererlebens
- lernen, sich auf die eigene Sinneswahrnehmung statt auf die Aussenwahrnehmung zu konzentrieren
Eine gute Beziehung zu sich selbst pflegen
Viele Frauen neigen dazu, beziehungsorientiert zu sein. Im Spannungsfeld zwischen Autonomie und Bindung, tun sie mehr für die Beziehung, als ihnen selbst guttut. Manchen Frauen fällt es schwer, eine gute Beziehung zu sich selbst zu pflegen, d.h. ihre eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Vorlieben wahrzunehmen, sie sich einzugestehen und sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten für die Erfüllung ihrer Bedürfnisse einzusetzen. Andere Frauen nehmen sich gut wahr. Sie halten es jedoch nicht aus, ihre Bedürfnisse, die im Konflikt zu denen des Partners stehen, in Kontakt mit dem Partner zu vertreten. Daher verzichten sie lieber darauf, sich mit ihren Wünschen sichtbar zu machen und berücksichtigt zu werden. Von den verinnerlichen Werten her, möchten sie nicht als rücksichtslos und egoistisch erscheinen oder den anderen frustrieren oder verletzen. In ihrer sexuellen Beziehung führt dies dazu, dass sie nicht das bekommen, wonach sie sich sehnen. Sie passen sich lieber widerspruchslos an das an, was der Partner ihnen in der Beziehung gibt oder was er in der Sexualität möchte.
Lernschritte diesbezüglich können sein, unabhängig von den Erwartungen des Partners das Risiko einzugehen, es dem anderen nicht immer recht zu machen. Anpassungsdruck verursacht Lustlosigkeit. Der Mut, sich selber genauso ernst zu nehmen wie den Partner, ist eine gute Voraussetzung damit zu beginnen, das eigene sexuelle Begehren zu entwickeln.
Gerne unterstütze ich Frauen darin, ihre eigene weibliche Identität zu stärken, um ihre Sinnlichkeit und Sexualität mit sich selbst und in der Beziehung mit dem Partner als wertvoll, wohlig und genussvoll zu erleben.