Newsletter Februar 25
Mehr Lust als Frust
Der weibliche erotische Raum
Viele Frauen leiden an sexueller Unlust. Manchmal verzweifelt, manchmal resigniert erleben sie ihre Lustlosigkeit. Manche Frauen vermissen eine vitale Lebenskraft, und /oder andere Frauen befürchten ihre Beziehung zu verlieren. Die frustrierenden Lösungsversuche umfassen tiefe Selbstzweifel, « Ich bin nicht richtig», «mit mir ist etwas falsch». Oder das vermeidende Ausweichen der Sexualität, bis hin zu jeglichen Berührungen, um ja nicht in die Gefahr zu geraten, beim Partner sexuelle Erregung zu aktivieren.
Auf den Spuren der weiblichen Lust
Begeben wir uns zuerst auf die Spuren der weiblichen Lust und den vielen Faktoren, die dem Ausleben dieser Lust im Wege stehen können und verstanden werden wollen.
-Sexualität mit ihrem Partner, in einem Rhythmus der nicht ihrer ist
-zu schnell zu viele genitale Berührungen
-sich penetrieren lassen, ohne dafür wirklich offen zu sein
-das eigene innere Geschlecht noch nicht gut wahrzunehmen
-eine genitale Begegnung, die zielfixiert auf einen «Orgasmusss» ohne Genuss ausgerichtet ist
-Sex ohne sich vom Partner gesehen und verstanden zu fühlen
-eingefrorene Gefühle in einem Herzen, das sich vor weiteren Verletzungen schützen möchte
-eine Lebensgeschichte, die mit unguten emotionalen oder körperlichen Erfahrungen verbunden ist
-verstrickte Fühl-, Denk-, Beziehungsmuster, die zwischen der Beziehung zum eigenen Geschlecht oder der Beziehung zum anderen Geschlecht stehen
-organische und medizinische Faktoren
-Lebensphasen vor- und nach der Geburt, Menopause... usw.
Auf der Spuren der weiblichen Lust, gibt es viele Faktoren, die verstanden werden wollen, damit die Frau in ihrer Erotik, wie eine wunderbar duftende Rose erblühen kann.
Der erotische «Spiel-Raum»
Oft erlebt die lustlose Frau keinen «Spiel-Raum» für ihr sinnliches und sexuelles Begehren. Sie erlaubt sich nicht herauszufinden, ob sie gerade in Kontakt mit ihrer sexuellen Lust kommen möchte oder nicht. Sie ist sich darüber nicht im Klaren, was ihre Bedürfnisse sind und sie was braucht, um diesen erotischen Handlungsspielraum betreten zu können.
Dazu benenne ich wesentliche Aspekte:
-Darf die Frau sich selber ermächtigen ihren Körper und ihre Bedürfnisse selbstbestimmt wahrzunehmen? Das heisst, erlebt sie die Freiheit, nein zum Sex sagen zu dürfen, als eine Grundbedingung, um ja sagen zu können?
-Erlebt die Frau ihren Körper und ihr inneres und äusseres Geschlecht als einen sicheren Raum, mit dem sie sich verbunden und in dem sie sich gerne zu Hause fühlt?
-Mag sie ihren Körper als sinnlich, erotischen Raum, zu dem sie eine Beziehung aus einer liebevollen Fürsorge heraus entwickelt?
-Ist sie in der Lage, ihre eigenen Grenzen in Bezug auf ihren sinnlichen, erotischen Raum wahrzunehmen und diese Grenzen in ihrer partnerschaftlichen Beziehung auszudrücken?
-Macht sie in dieser Beziehung die Erfahrung, dass diese Grenzen geachtet und liebevoll respektiert werden? Gelingt es ihr in der partnerschaftlichen Beziehung einen für sie stimmigen Abstand von Nähe und Distanz auszubalancieren, sodass sie als autonomes Wesen als liebens- und begehrenswert wahrgenommen wird?
-Erlebt sie genug Sicherheit, und nicht zu viel Verantwortung, um diesen erotischen Raum in der Beziehung in ihrer lustvollen Lebendigkeit erforschen und geniessen zu können?
Motivation für Sex
In der Sexualberatung wird oft deutlich, dass die Motive für einige Frauen weniger auf den genitalen, sexuellen Genuss abzielen, als auf primär emotionale Bedürfnisse. Beispiele sind etwa Kinderwunsch, es ist wieder mal Zeit für die sexuellen Bedürfnisse des Partners da zu sein, aus Pflichtgefühl oder um ihn nicht verlieren, emotionale Nähe oder Verschmelzungswünsche mit dem Partner zu spüren, sich zu versöhnen nach einem schwierigen Konflikt.
Sind diese Motive, die Sexualität aktivieren im Augenblick erfüllt, können die Hindernisse und alltäglichen Störfaktoren überhand nehmen (Doppelbelastung Beruf-Privatleben, Kleinkindphase, die Alltagsroutine in der Partnerschaft). Auf der Körperebene sind die Appetenzmechanismen im Gehirn deaktiviert, sodass der Sex im Alltag auf der Prioritätenliste keine wichtige Rolle einnimmt.
Beispiel:
Regina ist eine attraktive Frau Mitte 40. Sie berichtet, dass sie seit 10 Jahren glücklich verheiratet ist. Mit ihrem Mann hat sie eine 8 jährige Tochter.
«Ich habe keine Lust mehr auf Sex. Wir finden kaum Zeit dafür. Am Abend bin ich zu müde. Wenn wir dann alle 2 Monate mal Sex haben, mache ich das, weil ich denke, es ist für meinen Mann wieder mal Zeit. Ich bin froh, dass er mich nicht mehr zum Sex drängt.»
Einmal hatte sie eine Aussenbeziehung. Ihre Augen leuchten, wenn sie darüber erzählt. Sie hat die Aussenbeziehung beendet, die Beziehung zu ihrem Mann ist ihr wichtig und sie möchte ihn nicht verlieren.
Die beraterische Arbeit im Umgang mit dem Thema der Lustlosigkeit erlebe ich als Beraterin komplex, sensibel und fragil. Aus einer ressourcenorientierten Perspektive betrachtet verbirgt sich für die Frau hinter der Lustlosigkeit eine Chance zur eigenen Gestalterin ihrer Lust zu werden. Auf den Spuren ihrer Lust, ist es für die Frau bedeutsam zu verstehen, was ihre eigenen Körper-, Fühl-, Denk-, und Beziehungsanker sind, an denen sie sich orientiert. So kann sie herausfinden, welche Art von Sexualität ihr entspricht und wie es dem Paar in einem nächsten Schritt gelingt sich aufeinander einzuschwingen.
Im Beratungsprozess geht es darum, dass die Frau sich verstehen und wertschätzen lernt. Dieser Prozess ist - neben dem Gespräch - verbunden mit konkreten achtsamen Körperübungen in der Stunde und zu Hause. Ein bedeutsamer Aspekt kann für sie sein, herauszufinden, wozu sie ein klares Nein wahrnimmt. Bezieht sich dieses Nein auf ihre eigene Vorstellung oder auf die Vorstellung des Partners oder der Kultur was richtig oder falsch, normal oder angemessen sein soll? Oder bezieht sich das Nein auf eine bestimmte Situation, Praktik oder Stellung? Wonach sehnt sie sich (Kuscheln, Berührungen, emotionale Wärme, Distanz nach für sie verletzenden Konflikten) Wonach sehnt sie sich gerade nicht (zu schnell, zu intensive Berührungen im Genitalbereich)?
Im Beratungsprozess beginnt in einem ersten Schritt - basierend auf der Wahrnehmung der Frau - eine Forschungsreise. In dieser Forschungsreise kann sie entdecken, dass ihre Unlust nicht eine Unfähigkeit ist, derer sie sich schämen muss, sondern ein Prozess. In diesem Prozess kann sie kompetent, kreativ und selbstbestimmt herausfinden, wie sie ihren Körper bewohnt, und je nachdem was sie möchte, die Beziehung zu sich und zu ihrem Partner vertiefen.
Gerne unterstütze ich Frauen darin, sei es in Frauengruppen oder in individuellen Beratungsprozessen, sich die Sprache ihrer eigenen Sexualität lustvoll und liebevoll anzueignen, und aus einer eigenen, sicheren Basis heraus die sexuelle Beziehung mit sich und mit ihrem Partner zu gestalten - leicht, spielerisch, kreativ, leidenschaftlich und verbunden.