Newsletter März 23
Vorwürfe in Wünsche verwandeln -
vom Absolutheitsanspruch zur Bedürfnisäusserung
In die Paarbeziehung bringt jeder Partner aus seiner Lebensgeschichte seine Themen und Verletzungen mit. Darin kann ein Schlüssel liegen, dass sich Paare immer wieder in eskalierenden Beziehungsmustern verwickeln.
Dahinter stehen Bedürfnisse und Sehnsüchte, deren Erfüllung bewusst oder unbewusst mit einem Absolutheitsanspruch an den/die Partner/in delegiert werden. Manche unausgesprochen, manche rechthaberisch und fordernd. Beide Partner stehen dann gefühlt mit dem Rücken zur Wand. Es entsteht ein indirektes Beziehungsmuster im Rückzug und Schweigen, oder ein direkter Schlagabtausch, der sich in Vorwürfen, Rechtfertigungen und Eskalationen zeigt. Diese Beziehungsmuster verhindern einen milden, liebevollen Blick aufeinander, sowie eine wohlwollende Haltung gegenüber den Bemühungen des anderen.
Anstatt Unterschiede respektvoll sichtbar zu machen und sie auszuhalten, eigene Bedürfnisse wahrzunehmen und Wünsche klar zu formulieren, wird der Veränderungsbedarf beim anderen gesehen.
„Wenn Du dein Verhalten gegenüber mir änderst, dann geht es mir gut! Du bist Schuld daran, dafür verantwortlich, dass es mir schlecht geht!“ Diese inneren Haltungen verunmöglichen, dass Anpassungsmuster aufgelöst und miteinander Kompromisse ausgehandelt werden.
Wie ein Absolutheitsanspruch wirkt
Was ermöglicht, die Wünsche des anderen aktiv, verständnisvoll und wohlwollend anzuhören, dabei die eigenen Grenzen anzuerkennen, eigene Möglichkeiten zu prüfen und zeitnah ein konkretes „Aufeinander zu Angebot“ zu machen?
Damit sich ein Gefühl zu einer gelebten Kraft entwickeln kann, müssen wir uns in dem, was sich gerade in unserer Realität ereignet, verwurzeln. Unser Gefühl will auf unser Bedürfnis ausgerichtet sein, nämlich auf das, was wir brauchen und uns wünschen. Im Gegensatz dazu ist der Schattenausdruck, also die zerstörerische Seite eines Gefühls in einen Absolutheitsanspruch ausgerichtet. „Nur wenn Du Dich so verhältst, dass ich nicht in Kontakt mit meinem eigenen Schmerz, mit meiner eigenen Angst aus meiner alten Wunde komme, ist dein Verhalten richtig und mir geht es gut.“
Welcher Glaube steht hinter einer solchen Aussage?
Hinter einer solchen Aussage steht die innere Haltung „Ich habe recht und ich habe ein Anrecht darauf, dass Du jetzt dieses mein Bedürfnis erfüllst.“
Welches Gefühl wird durch diesen Glauben aktiviert?
Dann erlebe ich mich in meiner Selbsttbehauptungsaggression und richte meinen Ärger gegen Dich. Aus dieser Sicht ist mein Wunsch richtig und deine Nichterfüllung meines Wunsches falsch.
Daraus können für das Paar folgende Interaktionsmuster entstehen:
Diese Haltung erlaubt einem Partner, den anderen angriffig zu konfrontieren oder sein sich unterscheidendes Bedürfnis abzuwerten. Die daraus entstehende Verletzung kann zu einem Gegenangriff führen. Beide fühlen sich unverstanden, entweder geht die Eskalation weiter oder einer der beiden zieht sich zurück und verschliesst sich. Sowohl Angriff als auch der Rückzug können als Schutz vor dem Schmerz vor (alten) Verletzungen dienen. Das Tauziehen (psychologisches Spiel) verhindert einen Prozess der Kompromissfindung, sowie das Anerkennen und Erfüllen anstehender Bedürfnisse.
Anstatt zu lernen das Verhalten als einen Impuls zu nehmen, verantwortlich die eigenen Gefühle zu regulieren, wird der andere dafür verantwortlich gemacht, dass ich an diesem Punkt in Kontakt mit meiner Verletzlichkeit komme. Oft erlebt sich der leidende Partner in der psychologischen Rolle des Opfers, dem schon wieder, so wie in seiner Lebensgeschichte, ein Unrecht geschieht. Der andere wird in seiner Interpretation der Realität in der psychologischen Rolle des/der Täters/in gesehen.
Wie gelingt es diesen Teufelskreis zu verlassen?
Bleiben Paare in einem Absolutheitsanspruch verhaftet, geht der Kontakt mit dem was ist verloren. Die ungeheuren Gefühlsstürme laufen ins Leere, wie das Rad eines Getriebes welches auf Hochtouren läuft und nicht mehr verzahnt ist. Einer oder beide weigern sich die unterschiedlichen Bedürfnisse im Raum stehen zu lassen und diese als ersten Schritt anzunehmen. Gefühle erhalten dadurch ihre Kraft, dass sie sich in einer konkreten Bedürfnisäusserung mit der tatsächlichen Situation verbinden. Für das Paar ist es wichtig, erst einmal die Lücke, die zwischen dem was ist und dem was sie gerne hätten, anzuerkennen und den Schmerz zuzulassen, den diese Lücke verursacht. Wenn sie sich selbst realistisch einschätzen und die Absolutheitsansprüche loslassen, entdecken Paare, dass es in den meisten Situationen einen wählbaren Spielraum gibt. Beide können entscheiden, welche Interpretation sie der augenblicklichen Situation geben wollen. Als Akteur erzeugen sie ihre Gefühle selbst und dadurch auch, wer sie in dieser Situation sind: Opfer, Täter, authentisch, selbstwirksames Gegenüber.
Gerne unterstütze ich Paare darin, einen Zugang zur Kraft ihrer Gefühle zu finden und die Fertigkeit miteinander Kompromisse auszuhandeln zu entwickeln. Manchen Paaren gelingt es so, wieder ein wohlwollendes Miteinander zu erleben, die Lücke zwischen Wunsch und Realität wahrzunehmen und Unsicherheiten auszuhalten.