Newsletter Juni 2023
Körperempfindungen und Emotionen -
ein Schlüssel zur Gestaltung des Erlebnisspielraumes
Gelingt es Paaren, einander Geborgenheit, Schutz und Zuwendung zu geben und sich dadurch bei der Regulation negativer Affekte zu unterstützen, kann sich ein positives und starkes Selbstverständnis entwickeln.
Die Entwicklung der Beziehung ist wie eine Reise oder wie ein Lebenstanz, weg von einem unangenehmen Tauziehen hin zu einer Begegnungskultur, in der sich beide wohl fühlen.
Diese Reise kann folgende Ziele haben:
- weg von der Entfremdung / von einer kühlen Distanz, hin zu emotionalem Engagement,
- weg von wachsamen Abwehr- und Schutzmechanismen, hin zu Offenheit und Risikobereitschaft,
- weg von einer passiven Hilflosigkeit im unerbittlichen Beziehungstanz, hin zu aktiver Kreativität,
- weg von verzweifelter Schuldzuweisung, hin zu einem Verständnis für die gemeinsame Verantwortung, bezogen und liebevoll zu sein,
- weg von der Fixierung auf die Schwächen des anderen, hin zur Entdeckung der eigenen Ängste und Sehnsüchte,
- weg von Einsamkeit und Isolation, hin zur Verbundenheit.
Als Paarberaterin verstehe ich mich als eine Prozessbegleiterin, die in den „Beziehungstänzen“ des Paares gegenwartsbezogen evaluiert, was in den Partnern vor sich geht. So können beide kognitiv und emotional verstehen, wie sie miteinander interagieren, mit dem Ziel, neue Arten des Zusammenlebens auszuprobieren.
Körperempfindungen und Emotionen jedes Einzelnen geben eine Information darüber, welche Wünsche, Bedürfnisse und Grenzen befriedigt oder frustriert werden.
In der Beratung unterstütze ich die Partner darin, ihre Wahrnehmungskanäle auf den sinnlichen und den emotionalen Ausdruck zu fokussieren, ohne in den Inhalt zu gehen.
Dies kann über eine Wahrnehmungsübung geschehen. Ziel einer solchen Übung ist, in einem geschützten Rahmen Körperempfindungen und Gefühle über das Spüren wahrzunehmen und so das emotionale Erleben zu vertiefen und diesem eine Bedeutung zu verleihen. Auf diese Weise wird zu den eigenen emotionalen Mustern eine Beziehung hergestellt, Menschen lernen ihr emotionales Skript (die eigene Lebensgeschichte) aus einer veränderten Perspektive anzunehmen und neu zu organisieren. Es entsteht eine bildhafte Skriptverarbeitung, in der die Paare eine neue Geschichte über sich zu erzählen beginnen.
In der Beratung kann dabei z.B. diese Übung unterstützen, die ich wie folgt anleite:
Sitze auf einem Stuhl. Schliesse die Augen. Stelle die Verbindung zu Deinem Körper her, indem Du Deinen Atem wahrnimmst. Geh mit Deiner Aufmerksamkeit in Deinem Körper an den Ort, an dem Du Dich deutlich spüren kannst. Das kann z.B. im Hals-, Brust- oder Bauchbereich sein. Lege Deine Hand auf die Teile, die Du deutlich spürst. Und nimm wahr, was Du gerade spürst.
Ist es ein Druck, eine Anspannung, ein Schmerz, fühlt sich diese Wahrnehmung leicht oder schwer an? Ist es in Ordnung für Dich, einen Moment mit dieser Empfindung zu sein?
Hat diese Empfindung auch eine emotionale Qualität? Ist es Angst, Trauer, Wut, Freude, Aufregung, eine bedrohliche Enge?
Was ist das Schlimmste daran?
Ich lade Dich ein, einen Moment bei dieser Wahrnehmung zu sein und sie als einen wichtigen Teil von Dir zu betrachten, der Dir etwas sagen möchte.
Begrüsse diese Körperempfindung im Sinne von: „Hallo, bist Du auch als ein Teil von mir da!“ Wie reagiert diese Körperempfindung?
Möchte sie Dir etwas sagen? Gibt es Gedanken, Worte, Bilder, die auftauchen?
Vielleicht gibt es auch etwas, was diese Körperempfindung braucht oder sich wünscht. Wie würde es sich körperlich anfühlen, wenn alles in Ordnung wäre?
Bereite Dich jetzt langsam darauf vor, die Übung zu beenden. Verabschiede Dich von der Körperempfindung und komme im Raum an. Wenn Du so weit bist, öffne die Augen. Ist Dein Blick weit oder eng? Lass ihn klar werden und komm im Raum an.
Bei sich selber anzukommen, in die eigenen Schuhe schlüpfen zu lernen und in die Schuhe des anderen schlüpfen zu lernen, aktiviert ein emotionales Mitschwingen, aus einem Mitgefühl heraus. Dabei kann sich eine Grundhaltung entfalten von: Ich bin da, nicht um für Dich zu fühlen, sondern um mit Dir zu fühlen und um Dich wissen zu lassen, dass Du nicht alleine bist. Ich nehme mich und ich nehme Dich wahr.
Gerne unterstütze ich Paare darin, sich einen eigenen Leitfaden für den Prozess des Miteinander-unterwegs-Seins zu erschaffen.