Newsletter August 23
Die gemeinsame Beziehungsdynamik
Giftpfeile schiessen oder miteinander ein Team werden?
Erleben sich Paare als miteinander verstrickt, geht die Energie beider in einen bewussten oder unbewussten Kampf gegeneinander. Ein Aspekt der Verstrickung ist der Gedanke, der andere sollte das so oder so machen, damit es mir besser geht. Dies setzt den Partner unter meinen Erwartungsdruck. Die Verantwortung für die Regulation der eigenen Gefühle wird an den Partner delegiert. So entsteht für den Partner kein Freiraum von „Ich kann und darf wählen», oder „Mein Partner respektiert meine Wahl“.
Viele Partner reagieren auf diesen Druck, indem sie versuchen, es dem anderen gegen die eigenen Bedürfnisse recht zu machen, oder sie wehren sich oder ziehen sich zurück.
So setzt sich der Kampf fort, sich gegenseitig aufzureiben.
Über ein Kerngefühl wie Trauer oder Schmerz schiebt sich Ärger und Frustration. Der Versuch, den anderen ändern zu wollen, anstatt die eigene Frustration zu sich zu nehmen und den Verlust zu betrauern, erhält die kämpferische Energie aufrecht. Beide Partner gehen in Bezug auf die Erfüllung ihrer Beziehungsbedürfnisse leer aus.
Beziehungsmuster in der Verstrickung
Im Folgenden beschreibe ich Beziehungsmuster von Paaren, mit dem Ziel, den Blick vom verletzenden Verhalten hin zur dahinter liegenden Verletzung zu wenden. Es geht darum, den Schmerz bzw. die unbewusste Absicht, die hinter dieser Reaktivität liegt, zu verstehen.
- Ein Partner klagt an, der andere Partner geht in den Gegenangriff.
- Ein Partner geht in den Angriff, der andere Partner zieht sich zurück.
- Ein Partner erstarrt und der andere flieht.
Es ist wichtig zu verstehen, wie die Partner in den Momenten grosser Verletzlichkeit mit ihren Gefühlen umgehen. Welchen Zugang haben sie zu ihren Gefühlen und wie leicht fällt es ihnen, ihre Gefühle dem Partner zu zeigen? Im Bild gesprochen geht es um die Musik, die den Beziehungstanz der beiden und somit die Atmosphäre miteinander steuert.
Dabei kann die Perspektive helfen, dass es bei diesen Gefühlen nicht darum geht, dass einer der Partner falsch ist oder falsch fühlt. Im Zentrum steht die Beziehungsdynamik, die so intensiv erlebt wird, weil die beiden sich so nahe stehen und sich so viel bedeuten. Gleichzeitig wird in der Teufelskreisspirale die Ohnmacht erlebt nicht zu wissen, wie es gelingen kann, sich gegenseitig nahe zu kommen.
Dem Paar können zum tieferen Verständnis der eigenen Bindungsgeschichte und der aktuellen Beziehungsdynamik folgende Fragestellungen einen Impuls geben:
Fragen zur Bindungsgeschichte:
Welche 3 Adjektive wählst Du, um die Beziehung Deiner Eltern zueinander zu beschreiben?
Welches Beziehungsmodell (sicher gebunden, unsicher gebunden) hast Du so erlebt?
Was hast Du aus der Beziehung Deiner Eltern oder Elternfiguren gelernt?
Fragen zur eigenen Beziehungsdynamik:
Die Fragen dienen der Klärung der eigenen Position, die ihr als Paar in Krisen- und Konfliktsituationen einnehmt:
- Gehst Du in den Angriff, z.B. mit Provokationen, Abwertungen, Ratschlägen, Erklärungen, Rechtfertigungen?
- Greifst Du an, um verzweifelt für Dein Beziehungsbedürfnis zu kämpfen?
- Ergreifst Du die Flucht, um Dich vor den Angriffen des anderen zu schützen?
- Geschieht ein Positionswechsel?
- Was sind die wunden Punkte hinter eurer Beziehungsdynamik?
Die angreifende Position:
Beispiel: «Ich möchte, dass mein Partner mich sieht und mich anerkennt, so wie ich bin, anstatt mir Ratschläge zu erteilen. Also halte ich an ihm fest und versuche ihn verzweifelt zu erreichen. Ich fordere von ihm eine Position oder Lösung, damit es mir besser geht. Er zieht sich zurück und ich spüre meine Hilflosigkeit und Verzweiflung, da ich ihn nicht erreiche.»
Die sich zurückziehende Position:
«Egal was ich mache, es ist falsch. Es hagelt Vorwürfe, ein kritisches Aufzeigen aller Fehler, die ich mache! Meine Erklärungen und Rechtfertigungen kommen nicht an. Ich ziehe mich zurück, weil ich das nicht mehr ertrage. So entsteht eine immer kühlere Distanz zwischen uns. Die Intimität, nach der ich mich so sehr sehne, leben wir schon lange nicht mehr.»
Die erstarrte Position:
«Der Schmerz über die erlittene Verletzung tut mir so weh. Ich mache zu. Mein Brustkorb wird eng, ich kriege keine Luft mehr. Nichts dringt mehr zu mir durch. Ich fühle mich unendlich alleine gelassen.»
Gerne unterstütze ich Paare darin, ihre „Teufelskreisdynamiken“ zu verstehen. Anstatt den Partner zum Gegner zu machen und Giftpfeile aufeinander zu schiessen, lernen sie, die eigenen Anteile in dieser Dynamik aufmerksam zu erforschen. Daraus erwächst ein Perspektivenwechsel in eine liebevolle, wohlwollende Beziehungsgestaltung.